Wie wurde aus der Verfolgung Völkermord?

Zu den Hauptakteuren in der Erfassung und Verfolgung von Sinti und Roma im NS gehörten die „Rassenhygienische Forschungsstelle“ und die Kriminalpolizei.

Im Jahr 1936 entstand die „Rassenhygienische Forschungsstelle“. Ihre Aufgabe war, in enger Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei, die rassistische Erfassung von Sinti und Roma medizinwissenschaftlich durchzuführen. Leiter dieser Stelle war Robert Ritter, eine seiner engsten Mitarbeiter_innen war seine Assistentin Eva Justin. Robert Ritter und seine Mitarbeiter_innen nutzten die eingerichteten Zwangslager für ihre rassistischen „Untersuchungen“: Sie sammelten Informationen, befragten und begutachteten die in den Lagern internierten Männer, Frauen und Kinder. Die Mitarbeiter_innen der „Rassenhygienischen Forschungsstelle“ hatten mehr als 24.000 Menschen mit ihren Gutachten zu „Zigeunern“ kategorisiert. Diese „Gutachterlichen Äußerungen“ waren Voraussetzung für die Deportationen in die Konzentrations- und Vernichtungslager.

Zuständig für die lokale Verfolgung der Sinti und Roma waren die Kripoleitstellen, die bereits vor 1933 „Zigeunerpersonalkten“ anlegten und Repressionen auf sie aufgrund der Zuschreibungen von Kriminalität ausübten. Zuständig für den bürokratisch organisierten Völkermord an den Sinti und Roma war vor allem das Amt V (Reichskriminalpolizeiamt) des 1939 etablierten Reichssicherheitshauptamtes (RSHA). Dem von Arthur Nebe geleiteten Amt V unterstand die „Dienststelle für Zigeunerfragen“, welche die Ausgrenzungs- und Deportationsbefehle aus Berlin umsetze. Die Befehlskette reichte bis zu den örtlichen Polizeibehörden. Dem RSHA unterstanden auch die Befehlshaber der „Einsatzgruppen“, die hinter der Ostfront systematische Massenerschießungen von Juden, Roma, kommunistischen Funktionären und anderen zu „Reichsfeinden“ erklärten Gruppen durchführten.

Erste Deportationen von etwa 30.000 Sinti und Roma aus dem Reichsgebiet erfolgten im September 1939 in das besetzte Polen. Etwa ein halbes Jahr später ordnete Heinrich Himmler die Deportation von weiteren 2.500 Sinti und Roma in das Generalgouvernement Polen an, wo sie in Zwangsarbeitslagern und Gettos interniert wurden. Bis zu den Deportationen ab Kriegsbeginn waren Sinti und Roma zahlreichen Maßnahmen ausgesetzt, die zu ihren Ausschluss aus ihren Berufen, aus Schulen und aus dem öffentlichen Leben führten. Außerdem wurden sie ab 1936 in kommunalen Zwangslagern oder ab 1938 in Folge der Erlasse gegen „Asoziale“ in Konzentrationslagern im Reich interniert.