Seit Jahrhunderten leben Sinti und Roma in Europa. Sie sind mit rund 11 Millionen Angehörigen die größte Minderheit Europas. Zwischen 80.000 und 120.000 Sinti und Roma leben in Deutschland. Sie sind deutsche Staatsbürger_innen und seit 1995 eine anerkannte nationale Minderheit. Hinzu kommen zugewanderte Roma. Die genauen Zahlen sind nicht bekannt, da es keine offiziellen Erhebungen gibt. Die Sprache Romanes wird nach Schätzungen von 1/3 bis 3/4 der Sinti und Roma in Europa gesprochen. Sie ist dabei aber nicht einheitlich, sondern in zahlreiche Dialekte ausdifferenziert, die von den Sprachen der jeweiligen Heimatländer beeinflusst sind. In Deutschland ist Romanes neben Deutsch die Muttersprache vieler Sinti und Roma. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Ausgrenzungserfahrung: Angehörige der Minderheit werden in den verschiedenen Gesellschaften immer wieder ausgeschlossen und diskriminiert.
Insgesamt gibt es viele verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Selbst- bezeichnungen, zum Beispiel Kalé, Manusch oder Lovara. Die Gruppen sind stark geprägt durch die Geschichte und Kultur(en) ihrer jeweiligen Heimatländer.
Roma und Sinti sind in allen sozialen Schichten vertreten, gehen den unterschiedlichsten Berufen nach, gehören verschiedenen Glaubensrichtungen an und gestalten ihr Leben individuell.
Die ursprüngliche Herkunft von Sinti und Roma ist schwer zu rekonstruieren, weil dazu keine Überlieferungen existieren. Aufgrund großer Ähnlichkeiten zwischen der Sprache Romanes und dem altindischen Sanskrit ist anzunehmen, dass Sinti und Roma ursprünglich in Teilen des heutigen Indiens lebten. Im heutigen Deutschland sind Sinti schon seit über 600 Jahren ansässig. Die erste urkundliche Erwähnung findet sich 1407 in Hildesheim. Ab dem späten 19. Jahrhundert wanderten auch Roma ins Deutsche Reich ein. Die Meisten kamen jedoch erst nach 1950 nach Deutschland.
Ab den 1960er Jahren kamen Roma aus Jugoslawien nach Deutschland: Einerseits als „Gastarbeiter_innen“, andererseits weil sie in ihrer Heimat diskriminiert wurden und unter prekären Umständen leben mussten. Ihre Lebenssituationen veränderten sich nach Ankunft in Deutschland nicht wesentlich. In den 1990er Jahren zwangen die Kriege im ehemaligen Jugoslawien viele Roma zur Flucht. Die meisten von ihnen wurden in Deutschland erst einmal geduldet, bekamen aber keine Aufenthaltserlaubnis. Viele von ihnen hatten Probleme eine Wohnung zu finden und eine Arbeitserlaubnis zu bekommen.
Seit 2014 hat sich die aufenthaltsrechtliche Situation für geflüchtete Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien deutlich verschärft. Mit der Einstufung Serbiens, Mazedoniens, Bosnien-Herzegowinas (alle drei 2014), Albaniens, Montenegros und des Kosovos (alle drei 2015) als „sichere Herkunftsstaaten“ wurden Abschiebungen in diese Staaten für die deutschen Behörden deutlich erleichtert.
Viele der in den letzten Jahren abgeschobenen Roma sind in Deutschland aufgewachsen oder sogar geboren und werden nun in ein für sie fremdes Land abgeschoben. Die Situation in den als „sicher“ geltenden Ländern hat sich für Angehörige der Minderheit kaum gebessert. Noch immer müssen viele Roma in Ghettos außerhalb der Städte leben und leiden unter Diskriminierung und Ausgrenzung. Sie haben kaum Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen und sind immer wieder Opfer rassistisch motivierter Gewalt.