»Das Wort ‚Zigeuner‘ war in meiner Kindheit der erste Anlass für Tränen […] Wir haben dieses Wort untereinander nahezu nie benutzt. Wir brauchten es nicht! Dieses Wort wurde ausschließlich von den Anderen benutzt, damit sie unsdamit von Zeit zu Zeit die Peitsche geben konnten.«
Jovan Nikolić im Interview „Geblieben ist mir nur meine Muttersprache“, 2009.
Antiziganismus bezeichnet einen seit vielen Jahrhunderten bestehenden spezifischen Rassismus gegen Sinti und Roma. Bis heute ist er in der Mehrheitsgesellschaft weit verbreitet und tief verwurzelt. Antiziganismus entsteht aus der Mehrheitsgesellschaft heraus, wobei die eigene Identität durch Abgrenzung zum vermeintlich „Anderen“ definiert wird. Der Antiziganismus erfüllt damit eine stabilisierende Funktion für die Mehrheitsgesellschaft bei gleichzeitigem Ausschluss der Minderheit.
2005 forderte das Europäische Parlament die Mitgliedsstaaten zur Bekämpfung von Antiziganismus auf. Im Jahr 2015 wiederholte es die Aufforderung und erkannte Antiziganismus als spezifische Form des Rassismus an. Die mit ihm verbundenen Vorurteile werden jedoch oft nicht als solche erkannt, gesellschaftlich zu wenig geächtet und unterschätzt. Die radikalste Folge des Antiziganismus stellt der Völkermord dar, in dem 500.000 Angehörige der Minderheit ermordet wurden.
Viele Studien belegen antiziganistische Einstellungen gegenüber Sinti und Roma. Die 2018 veröffentlichte Autoritarismus-Studie der Universität Leipzig zu rechtsextremen Einstellungen in Deutschland offenbarte erschreckende Zahlen: 60,4 (für Westdeutschland) bis 69,2 Prozent (für Ostdeutschland) der befragten Personen gaben an, dass Sinti und Roma zu Kriminalität neigen würden. Fast genau so viele, 56 Prozent, hätten ein Problem damit, wenn Sinti und Roma sich in ihrer Nähe aufhielten und 49,2 Prozent sprachen sich dafür aus, Sinti und Roma aus den Innenstädten zu verbannen.